Quo Vadis, Ukraine?

Quo Vadis, Ukraine?

(Text von Arte & interaktive Karte) Seit Monaten blickt die Welt mit Sorge auf die Ukraine. Wird das Land doch regelrecht zerrieben – durch Konflikte im Innern und von außen. Die Dokumentation nimmt die explosive Situation in der Ukraine zum Anlass, um die Gedanken- und Gefühlswelt verschiedener Menschen – Russen und Ukrainer – vor dem Hintergrund der dramatischen Entwicklungen in ihrem Land erlebbar zu machen.


Dokumentation von 2005 zur Geschichte der Ukraine und dem politischen Spannungsverhältnis.

Flugrouten – Das Land am Rand von Europa
Die Krisendiplomatie lief in den letzten Wochen auf Hochtouren. Nur 3 Stunden Flugzeit benötigt der deutsche Außenminister Steinmeier, um zu einem Krisengipfel nach Kiew zu gelangen. Ein Blick auf die Europakarte vermittelt ein Gefühl dafür, wie nahe die Ukraine an den russischen und europäischen Machtzentren liegt. Interessant ist dabei, wie unterschiedlich die Interessen in den Ländern sind – auch innerhalb Europas. Das Verständnis, das viele in Deutschland für Russland haben, kann man in osteuropäischen Ländern wie Polen kaum nachvollziehen.

Bevölkerung – Reizthema russische Sprache
In den Bezirken Charkiw, Donezk, Lugansk und Saporischschja leben mehr als ein Viertel ethnische Russen, auf der Krim sind es mehr als die Hälfte. Ihre Herkunft hat einen bedeutenden Einfluss darauf, wie die Menschen in der Ukraine über eine Bindung der Ukraine an Russland denken. Dabei ist längst nicht jeder in der Ukraine lebende Russe auch für einen Anschluss an Russland. 31,8% der Russen äußern diesen Wunsch, aber nur 8,7% der Ukrainer. Das hat eine Umfrage des Fonds demokratischer Initiativen zusammen mit dem Kiewer Internationalen Institut im Februar 2014 ergeben.
Die russische Sprache ist in der Ukraine schon länger ein Reizthema. Unter Janukowitsch war sie 2012 als Regionalsprache freigegeben worden. Was für die russische Minderheit ein Segen war, bezeichneten Kritiker, darunter der frühere Präsident Kutschma, als kontraproduktiv für das Einheitsgefühl und die Unabhängigkeit der Ukraine. In diesem Jahr verkündete die Übergangsregierung als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Abschaffung von Russisch als zweite Amtssprache. Ein katastrophales Signal an die östlichen und südlichen Teile der Ukraine. Das Kabinett von Übergangspremier Jazenjuk ruderte kurze Zeit später wieder zurück.

Wirtschaft – Durchschnittseinkommen unter 200 €
Es ist kaum zu glauben, wie nah uns ein Land ist, in dem das durchschnittliche Einkommen aktuell bei unter 200 € im Monat liegt. In Kiew verdient man mit knapp über 300 € noch am besten. Das allerdings bei Mietpreisen, die nicht weit vom deutschen Niveau entfernt sind. Abgemildert wird dies nur dadurch, dass viele Ukrainer Wohneigentum besitzen. Kein Durchschnittsverdiener kann sich in Kiew eine Mietwohnung leisten.
Fast ein Fünftel der Ukrainer lebt von der Landwirtschaft. Besonders im Westen der Ukraine ist sie ein wichtiger Wirtschaftszweig, auch wenn die Zahlen dokumentieren, dass die ukrainische Landwirtschaft nicht zu den produktivsten zählt. Denn zahlreiche Kleinbauern sind in erster Linie Selbstversorger. Nach Angaben der Welternährungsorganisation könnte die Ukraine ihre Produktion dank der fruchtbaren Schwarzerde durch effektivere Bewirtschaftung mehr als verdoppeln. 30% der weltweiten Vorkommen an Schwarzerde liegen auf dem Gebiet der Ukraine.
Im Osten der Ukraine sind die Bergwerke und Stahlfabriken die wichtigsten Wirtschaftsfaktoren. Auch hier besteht für die Zukunft ein hoher Modernisierungsbedarf.

Pipelines – Gas aus der EU für die Ukraine
Zwar ist die Ukraine mit ihren 39.800 km Erdgasleitungen und 13 unterirdischen Gasspeichern weiterhin ein wichtiger Baustein für die Versorgung Europas mit Gas. In der aktuellen Krise dreht sich das Geschäft allerdings um. Reverse Flow – der Gastransport entgegen der Hauptflussrichtung wird nun genutzt, um die Ukraine über Leitungen durch Polen und die Slowakei mit Gas zu versorgen. Damit wird Moskau ein gern genutztes Druckmittel aus der Hand genommen. Russland hat die Ukraine in der Vergangenheit immer wieder ihre Abhängigkeit spüren lassen, durch sprunghafte Preissteigerungen. Eine bizarre Entwicklung: Der deutsche Energieversorger RWE bezieht einen großen Teil seines Gases aus Russland, um anschließend kleinere Mengen davon und durchaus gewinnbringend an die Ukraine zu verkaufen. Die Ukraine kann sich aber dabei nicht als alleiniges Opfer sehen. Erhebliche Gasrechnungen an Russland sind nach wie vor unbezahlt.

Bodenschätze – Teurer Verlust der Krim
Reiche Gas- und Ölvorkommen könnten die Ukraine in Zukunft von russischen Energielieferungen unabhängiger machen. Die Annexion der Krim durch Russland ist da allerdings ein herber Rückschlag. 198 Öl- und Gasfelder sowie 380 weitere potentielle Vorkommen haben mit der Krim-Annexion das Hoheitsgebiet gewechselt. Nach russischen Schätzungen liegen auf der Krim 47 Millionen Tonnen Erdöl- und 165,3 Milliarden Kubikmeter Erdgasreserven. Aber auch das verbliebene Staatsgebiet der Ukraine ist reich an diversen Bodenschätzen. Im Donezkbecken im Osten des Landes sind es Kohle, Eisenerz, Graphit und Mangan, im Westen werden in dem Gebiet Ivano-Frankivsk Erdöl, Erdgas, Braunkohle, Kalium, Sole und Kalkstein gewonnen und verarbeitet. Außerdem wird in der Ukraine Uran abgebaut, was sonst in Europa nur noch in Tschechien der Fall ist.

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